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Verschätzt

So konnte der „Goslarer Trojaner“ - begünstigt durch reichlich Schmelzwasser im Frühjahr - durch das breite Okertal bis zum heutigen Beginn der Halberstädter Straße in Oker verschifft werden. Ab der Stelle, wo Oker und Gose (Abzucht) zusammenfliesen, sollte offensichtlich das Pferd im Verlauf der damals schon existierenden Ost-/West Verbindung „Im Schleeke“ bergauf Richtung Goslar bzw. zum Breiten Tor gezogen werden. Unklar ist, ob der Untergrund um den Fluss zu weich war oder ob man die Mühe, das schwere Holzmonument über die Steigung von Oker bis zum breiten Tor zu ziehen, unterschätzt hatte. Nach derzeitigen Kenntnisstand wird vermutet, dass sich das Holz des Pferdes, was im Nachbau auf ein Trockengewicht von drei Tonnen kommt, zusätzlich beim Flößen mit Wasser vollgesogen hatte. Es dürfte damit weit über vier Tonnen gewogen haben. Wahrscheinlich ist erst mit dem Beginn der Steigung die Erkenntnis gekommen, dass die Idee, ein so großes Pferd „heimlich“ gut 5.000 Meter bergauf Richtung Goslar zu ziehen, nochmals zu überprüfen gewesen wäre.

Aber war es nur das Gewicht?  Wahrscheinlicher ist, dass man einen Kundschafter vorgeschickt hatte, um das Gelände und die Strecke bis zum Breiten Tor darauf zu prüfen, ob der Weg bis in die Stadt möglich sein. Und wahrscheinlich war diesem Kundschafter, der die Aufmaße und damit die Höhe des Goslarer Trojaners kannte, beim Blick auf den Durchgang am Breiten Tor klar geworden, dass das Pferd wesentlich höher war als der Durchlass im Breiten Tor. Wenn es so war muss es ein Schock gewesen sein - die ganze Mühe umsonst!

Da der Fundort unmittelbar an der Oker am Rande des damaligen Flussbettes belegt ist, kann man heute davon ausgehen, dass das hölzerne Pferd umgestürzt, vermutlich sogar zerstört und in der Fluten versenkt wurde.

Der eigentliche Überfall der Clausthaler auf Goslar ist somit nie bis zum Ende durchgeführt worden. Viele gescheiterte Überfälle fehlen in der Geschichtsschreibung - aus gutem Grund: sie waren eine Schmach für die, die erkennen mussten, wie unvollständig ihre Planung war. Aber wenn Dokumente vorhanden gewesen sind, hätten diese gezeigt, dass es schon damals in Clausthal-Zellerfeld herausragende Denker und Meister der Konstruktion gab. Es müssen hochgebildete Marktscheider mit mathematischen, geologischen, physikalischen Kenntnissen dabei gewesen sein, um den optimalen Weg durch die Berge zu finden.

Die Geschichte zeigt, dass manches, was in der Umsetzung machbar gewesen ist, letztendlich an einfachen Fakten der Realität scheitern kann.

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